Wer die Bibel als Sammlung menschlicher Weisheit (und Torheit) betrachtet, wird sie gelegentlich als Verständnis- und Interpretationshilfe für das eigene Leben heranziehen. Die Erzählungen in der Bibel — besonders jene des Alten Testaments — zeigen uns, wozu der Mensch fähig ist, im Guten wie im Bösen. Die Lektüre kann uns die Augen öffnen, zu Selbsterkenntnis verhelfen und zum Verstehen dessen, was um uns herum vorgeht. Der Bibelleser bekommt ein Geschenk mit auf den Weg: Demut. Demut, die nicht klein macht, sondern groß. Demut, die Würde verleiht. Demut, die ihr Entstehen aus der Quelle der Erkenntnis speist: Wie klein sind wir doch, und wie unmaßgeblich ist unser menschliches Wollen angesichts der ganzen Schöpfung! Demut hilft, das eigene Schicksal anzunehmen, sobald es unnachgiebig und unabwendbar seine Forderungen stellt. Das Gegenteil der Demut sind Anmaßung und Selbstüberhöhung, hervorstechende Eigenschaften der Generäle und Militärs auf der ganzen Welt, welche immer schon alles Leben, das Materielle, die Fauna, die Flora und auch den Menschen nur einem einzigen Zwecke unterordnen: sie besitzen und lenken zu wollen. Daraus entstehen Kriege. Wer sich rücksichtslos und gewaltsam nimmt, was er zu brauchen meint, vergißt, wie lächerlich klein vor Gott der Mensch ist. Aus Druck entsteht Gegendruck, aus Gewalt neue Gewalt. Auch dies kann man in der Bibel lesen. In der Bibel begegnen uns anmaßende und unsittliche Menschen. Dann aber bekommen wir am Beispiel würdevoller Menschen vorgeführt, wie man jeglicher mitmenschlichen Anmaßung mit Demut und Würde begegnen kann. Sie vermögen mehr als das blutige Schwert. Die Bibel erzählt von Männern und Frauen, die ihr Leben geführt haben, so wie wir es führen. Eine „gerechte Sprache" braucht sie nicht; was sie benötigt, ist das rechte Verständnis ihrer eigentlichen Botschaft: Schaut her, so ist das Leben gewesen, so wird es immer sein, und wenn ihr wollt, könnt ihr für euer eigenes Leben daraus lernen. In der Bibel ist die Weisheit der ganzen Menschheit enthalten. Sie kann uns das Denken lehren, das Zusammenführen von Herz und Verstand über die Brust (Lewis). Karin Pfeiffer |