Auch bei der Süddeutschen macht man sich jetzt Sorgen um den Niedergang der Schreibkultur. Seit der Grundschulverband e.V. konsequent und unbeirrt die Abschaffung der Schreibschrift vorantreibt, Hand in Hand mit der Politik, scheint das Schicksal der Schreibschrift besiegelt zu sein. Ein Containerschiff, das mit Hilfe und Segen der mächtigen Ministerialbürokratie vom Stapel läuft, wird niemand aufhalten können, weder mit Bitten noch mit sachkräftigen Argumenten und Tatsachenbeweisen. Die Bruttoregistertonnen gleiten unbehelligt auf die Weiten der Weltmeere hinaus, und wir haben das Nachsehen. Auch wenn es nur eine Art Nachruf sein kann, so sei doch folgendes angemerkt. Die Begründung für die Abschaffung der Schreibschrift ist skurril. Den Kindern solle das "doppelte Schreibenlernen" (Grundschulverband) erspart bleiben. Hat sich noch nie jemand die folgende Frage gestellt, die sich förmlich aufdrängt: Wieso "doppelt"? Weshalb müssen Kinder überhaupt eine Druckschrift schreiben lernen? Druckschrift kann man überhaupt nicht schreiben, man kann sie nur, wie der Name schon sagt, d r u c k e n . Druckschrift ist Maschinenschrift, und zum Lesen da. Wozu sollen Kinder Druckschriftbuchstaben nachzeichnen lernen, als seien sie allesamt kleine Maschinen? Ist nicht DAS die wahre Zeit- und Kraftvergeudung? Weshalb nicht gleich so: 1. Lesenlernen mit Druckschrift 2. Schreibenlernen mit Schreibschrift
Für alle Tätigkeiten gibt es ein passendes Werkzeug. Niemand schlägt den Nagel mit dem Schraubendreher in die Wand und versucht danach, eine Schraube mit dem Hammer einzudrehen! Also laßt die Kinder doch gleich die Schreibschrift lernen, der Schrift, die für die Hand gemacht ist und nicht für die Maschine! Aber ja doch, solche Argumente verhallen ungehört, ich weiß schon. Sobald eine in den Amtsstuben ausgebrütete Idee kommerzielle Dimensionen angenommen hat, ist da kein Halten mehr. Im Hintergrund sind längst Verträge geschlossen und lukrative Markstrategien ausgetüftelt, Versprechungen gemacht und Geldbeträge überwiesen worden. Da beißt sich eher die Maus den Schwanz ab, als daß die Bevorteilten von ihren Ideen lassen. Der Schreibschriftabschaffungsdampfer dampft dahin. Wir werden sehen, welche realen Auswirkungen uns ereilen. Denken wir an die unselige Rechtschreibreform, die ebenfalls dank guter Verbindungen der Erfinder mit der Kultusbürokratie einem Millionenvolk von Lesern und Schreibern verordnet wurde, gegen deren ausdrücklichen Wunsch und Willen. Was soll's. Noch können Eltern und der Schriftkultur verpflichtete Pädagogen den Kindern das richtige Schreiben beibringen – so sie das denn für wünschenswert halten. Wir aber rufen mit Lothar Müller: Lasst die Schnörkel leben! (Link zur Süddeutschen) |