Buchsuche:
  Startseite
 
Tagebuch:
mal ernst, mal heiter
Kunden in der Schweiz Kunden in Österreich Der Stolz Verlag stellt sich vor Kontakt  

Schrift und Rechtschreibung gehören zusammen

 
27. Oktober 2011
Schrift und Rechtschreibung gehören zusammen
Kategorien: Besser lernen | Schriftkultur

Es ist eine Binsenweisheit: Schrift und Rechtschreibung sind voneinander getrennt gar nicht denkbar. Schreiben lernen bedeutet deshalb immer auch zugleich Rechtschreiben lernen. Heute wird im ersten Schreibunterricht der Schule die Orthographie vielerorts ausgeklammert. Im eigentlichen Sinne kann dann nicht von Schreibenlernen gesprochen werden. Kinder lernen das Nachzeichnen von Buchstaben, sie üben sich ohne Anleitung im phonetischen Kritzeln — nicht aber im herkömmlichen Schreiben! Schreiben heißt immer auch richtig schreiben. Siehe oben.

Wozu ist Schrift da? Was ist der Zweck des Schreibens? Kunst? Unterhaltung? Beschäftigungstherapie? Experimentierfeld zur Förderung der Kreativität? Wenn die Schrift ein allgemein funktionierendes Kommunikationssystem bleiben soll, müssen die nachfolgenden Generationen eben die Konventionen lernen und einüben, welche das (noch) bestehende Schriftsystem zu einem allgemeintauglichen Kommunikationsmittel gemacht haben. Und das ist und bleibt die genormte (Recht)Schreibung.

Dass diese nicht schwer zu begreifenden Sinnzusammenhänge der ausdrücklichen Formulierung bedürfen, ist schon etwas eigenartig. Hat die moderne Schuldidaktik jede Bodenhaftung verloren? Den Blick auf die rasch wechselnden Neuheiten der Branchensaison gerichtet, wird in vielen Grundschulen experimentiert, was das Zeug hält. Nicht von allen Lehrern, das muss man der Gerechtigkeit halber wohl hinzufügen, aber von vielen, von allzu vielen. Die heute weitverbreitete "Wissenschaftsgläubigkeit" (was sich als "Wissenschaft" tarnt, sind oft nur kommerziell ausgerichtete Dogmatiken mit Sektencharakter) hat dazu geführt, dass den selbsternannten "Fachleuten" mehr Glauben geschenkt wird als den Ergebnissen, die in der Realität mit eigenen Augen wahrgenommen werden können: jedermann müsste doch sehen, welches Geschreibsel zum Beispiel bei Benutzung der sogenannten Anlauttabellen (LdS) herauskommt. Jedermann müsste ausrufen: "Der Kaiser ist ja nackt!"

Wem nützt der pädagogische Flohzirkus? Tatsächlich den Schulkindern? Das fragt nun eine etwas missgelaunte

Verena Katerle

 
 

 



Kommentare zu diesem Beitrag:
von Kerstin (29. Oktober 2011, 17:42):
Sehr geehrte Kollegin,

mit Verwunderung lese ich Ihren Beitrag, arbeite ich doch selbst zur Zeit in einem ersten Schuljahr mit Kindern, die mithilfe einer "sogenannten" Anlauttabelle "Geschreibsel" produzieren.

Die Kinder lernen Wörter deutlich zu sprechen und den Lauten folgend das Wort zu schreiben. Sie schwingen und springen (im wörtlichen Sinne) Sprechsilben und erkennen auf diese Weise die Durchgliederung des zu schreibende Wortes. Starke Schüler werden schon jetzt darauf aufmerksam gemacht, dass z.B. immer dann, wenn sie "a" am Ende eines Wortes hören, sie "er" zu schreiben haben. Es wird Ihnen auch gesagt, dass es einige Ausnahmen gibt, die sich werden merken müssen. Die Kinder erfahren, dass alle Dinge, die sie anfassen können, groß geschrieben werden usw.

Bemerkenswert finde ich, dass meine eigenen Kinder auf genau diese Art und Weise das Schreiben und Lesen gelernt haben. Im späten Kindergarten-Alter wollten sie wissen wie bestimmte Laute verschriftet werden. Nachdem sie das erfahren hatten, haben sie gleichzeitig begonnen, sowohl zu schreiben, was ihnen als schreibenswert erschien, als auch alles zu erlesen, was Ihnen vor die Augen kam.

Das Arbeiten mit Anlauttabellen halte ich für eine sehr geeignete Form des Schreiben- und Lesenlernens im ersten Schuljahr.
Es bedeutet ja nicht, dass die Kinder die korrekte Rechtschreibung nicht erlernen sollen.

Dieser Ansatz gibt den Kindern lediglich ein Werkzeug an die Hand, mit dem sie die Wörter, die sie tagtäglich verwenden, verschriften können. Dabei soll das Richtigschreiben nicht umgangen werden. Es wird jedoch ein Weg beschritten, der dem Kind zunächst einmal entgegenkommt um es dort abzuholen, wo es sich befindet. Von dort aus wird es auf dem Weg des Schreibenlernens weitergeführt.

Sicherlich kommt es darauf an, wie das benutzte Lehrwerk den Prozess des Schreibenlernens weiterhin gestaltet.
Das Material, mit dem wir an unserer Schule arbeiten, finde ich außergewöhnlich gut (aufgrund unserer besonderen schulischen Situation unterrichte ich auch die dritte Klasse mit demselben Lehrwerk und weiß daher um den sehr guten Fortgang des Schreiblernprozesses).

Pädagogischer Flohzirkus ist sicherlich niemandem Nütze. Aber nach Rom gibt es nicht nur einen Weg.

Mit freundlichen Grüßen

K.S.
 
von Simkat (29. Oktober 2011, 21:05):
Hallo, Kerstin!
Haben Sie keine Kinder mit Migrationshintergrund in der Klasse? Oder solche, die schlecht sprechen? Diese Kinder haben mit der Anlauttabelle meiner Erfahrung nach allergößte Probleme. ?
Gruß S.
 
von Anonym (02. November 2011, 10:18):
Bitte um Verzeihung, dass ich ohne Name schreibe. Also, ich habe mit den Anlauttabellen ein Problem oder vielmehr mit mir selbst. Ich bin noch nicht lange im Schuldienst und habe im vorigen Jahr eine erste Klasse übernommen. Das Schreibenlernen mit Anlauttabellen schien mir auch ein prima Weg zu sein, wie die erste Kommentatorin das schildert. Also habe ich die Eltern eingeladen und ihnen erklärt, wie ich vorgehen will. Natürlich stand ich voll dahinter, habe das Konzept toll gelobt, besonders weil einige eltern skeptisch waren. Aber ich habe sie halt überzeugt.

Jetzt klappt es nicht so, wie ich erwartet habe. Besonders meine Ausländerkinder machen furchtbar viele Fehler, man kann nichts lesen. Aber auch einige andere können nicht mit. Es hilft ihnen gar nicht, wenn ich sage: Du musst deutlich sprechen! Sie können es trotzdem nicht.
Inzwischen sind meine Kinder in der zweiten Klasse, und mir wird ein wenig komisch bei dem Gedanken, dass es so weiter geht. Eigentlich hätte ich doch gern etwas Anderes gemacht. Und ein bisschen tue ich das auch. Aber ich kann doch nicht ganz umschwenken, so auf altmodisch oder so.
Kann man denn einfach so zugeben, dass man sich geirrt hat? Was sagen denn die Eltern dann? Inzwischen habe ich einiges gelesen und weiß, dass die Methode sich nicht für alle Kinder eignet. Wie gesagt, ich kann doch nicht jetzt, nach meher als einem Jahr sagen, dass ich mich doch geirrt habe, wo ich doch so dafür gestritten habe. Ich habe auch vieles zum Lernen angeschafft, das hat Geld gekostet. Die Eltern haben auch was beigesteuert. Das kann man doch nicht einfach in die Ecke werfen.
Was soll ich denn nun tun? Steckt denn niemand außer mir in dieser Zwickmühle? Mit Kollegen möchte ich nicht darüber sprechen. Das ist mir zu peinlich.

Kerstin, haben Sie denn Erfahrungen, die mir weiter helfen könnten?

Gruß
Anonym
 
von Kerstin (05. November 2011, 17:48):
Hallo Anonym,
ein Experte für das Schreibenlernen mit der Anlauttabelle bin ich leider nicht, aber ich arbeite an einer deutsche Schule im Ausland (nicht deutschsprachig) und habe viele "deutsche" Kinder in der Klasse, die zwei- bzw. sogar dreisprachig aufwachsen. Von daher ist mir die Problematik von Ausländerkindern und "schlecht" sprechenden deutschsprachigen Kindern sehr vertraut.

Ich sehe jedoch, dass diese Kinder eine hohe Motivation haben, richtig zu schreiben und richtig zu sprechen.
Wir arbeiten mit dem Zebra-Lehrwerk (leider bin ich mir nicht im Klaren, ob ich hier die Namen von Lehrwerken überhaupt nennen darf - falls nicht, bitte ich um Entschuldigung) und sind, wenn auch noch Neulinge, damit sehr zufrieden. Zumal in dem Lehrwerk zum passenden Zeitpunkt auch das Richtigschreibenlernen angegangen wird.

Die Ergebnisse des zuvor verwendeten Lehrwerkes mit Fibel haben mich auf jeden Fall überhaupt nicht überzeugt. Als ich an dieser Schule anfing, und erlebte, wie Kinder im dritten Schuljahr sich mühevoll einzelne Buchstaben dekodierten um sie dann zusammenzuschleifen in dem Bemühen ein Wort zu "lesen", war ich entsetzt. Mit Lesen hat das wohl nur wenig zu tun - und die Kinder wissen das auch und sind frustriert.

Mich überzeugt der Ansatz, das Schreiben und Lesen gewissermaßen gleichzeitig zu lehren und zu lernen. Es gehört ja doch zusammen.

Daß einige Vertreter der o.g. Methode den Kindern vorenthalten wollen, wie die Wörter richtig geschrieben werden (wie ich es in den im blog genannten Artikeln gelesen habe), kann ich nicht nachvollziehen. Sicherlich gehört pädagogisches Geschick dazu, zu wissen, wie und wann ich wem was sage.

Deshalb überzeugt mich die Idee, mit einer Methode zu arbeiten, bei der nicht alle Schüler gleichzeitig dasselbe tun. In unserer ersten Klasse gibt es Kinder, die nicht nur problemlos die Anzahl der Sprechsilben des Wortes Dinosaurier feststellen können. Sie können auch den Anlaut, Königsbuchstaben (Selbstlaute, Umlaute, Zweilaute) und Auslaut jeder Silbe hören und schreiben.

Wir haben aber auch Schüler, die große Mühe haben, sich der Phonologie eines Wortes bewußt zu werden. Sie können nicht einfach so Laute in Buchstaben übersetzen. Dort wird das Wort Tomate zur großen Herausforderung. Wenn ich die phonologische Bewußtheit aber nicht trainiere, dann frage ich mich, welche Chancen sie haben, fremde Wörter irgendwann hörend-denkend zu schreiben.

Vielleicht liegt das Problem gar nicht so sehr bei der verwendeten Methode? Können wir Wege finden, Kinder von Anfang an das Selber-Denken zu führen? Werden wir es schaffen, auch Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern für schulisches Lernen zu motivieren, selbst wenn es mühsam ist und der Erfolg nicht per Mouse-click zu haben ist?

Liebe(r) Anonym, ein Wundermittel habe ich nicht, aber vielleicht lohnt es sich, für die zweite Klasse mal in das o.g. Lehrwerk zu schauen. Dort finden Sie möglicherweise wertvolle Hinweise, die Ihnen weiterhelfen könnten.

Und noch eine Schlussbemerkung: Es geht beim Unterrichten nicht um altmodische oder neumodische Methoden. Vielmehr versuchen wir als Lehrer Wege zu beschreiten, die den heutigen Bedürfnissen von heutigen Kindern entsprechen.
Wir müssen nicht alles gut finden, was neu ist und nicht alles ablehnen, was es früher schon gab. Aber wir können hinhören und -schauen, nachdenken, dazulernen und uns eine Meinung bilden. Das ist ein Prozess, der hoffentlich nicht nach einigen Jahren aufhört. Das bleibt, so wie ich das sehe, ein Lehrerleben lang aktuell.

Lieben Gruß,
K
 
von Anonym (07. November 2011, 09:39):
Hallo, K - danke für die ausführliche Antwort. Sie hat mich ein wenig getröstet. Es hilft mir schon etwas weiter, ich werde mir das Lehrwerk anschauen, aber wahrscheinlich scheitert das sowieso am Geld. Ich muss das Problem irgendwie anders lösen.
Außerdem glaube ich, dass die Kinder, die Sie kennen, anders sind, wissbegieriger. Das ist ja eine ganz andere Situation als bei uns in DEutschland. Einige Kinder in meiner Klasse wollen gar nicht richtig schreiben lernen, es ist ihnen egal. So jedenfalls kommt es mir vor.
Trotzdem vielen Dank,
und liebe Grüße zurück
Anonym
 
von pfiffikus (26. Juli 2012, 09:55):
@ Verena Katerle

Ich finde es bedauerlich und schade, dass Sie bisher nicht auf die Einwände von @ Kerstin geantwortet haben.
Nur aus der Rede und Gegenrede kann sich der interessierte Leser eine eigene Meinung bilden.
 
von Verena Katerle (31. Juli 2012, 20:22):
Lieber pfiffikus, Sie haben ja ganz recht.

Ich habe eine interessante Dokumentation gefunden. Wer sich den Film anschaut, kann sich ein eigenes Urteil bilden.
Das Problem bei jeder Methoden scheint mir zu sein, dass man sie nicht pauschal für jedes Kind anwenden kann. Kluge Kinder werden gegen alle Widerstände schreiben lernen, und die anderen tun sich schwer, egal, wieviel Hilfestellung man ihnen gibt.

Die Anlauttabelle aber ist für mich ein glatter Irrweg - der gutgemeinte Weg zur "Hölle", der mit lauter guten Vorsätzen und hübsch bebilderten Buchstaben gepflastert ist.

Man darf ruhig anderer Meinung sein. Letztlich aber entscheidet die Realität: was kommt bei diesem Unterricht raus? Heutige Kinder sind nicht dümmer als die früherer Generationen! Weshalb können so viele nach der Grundschule kaum schreiben?

Daran, an der Wirklichkeit, muss man die Methoden messen. Aber hieran mangelt es. Es gibt keine Untersuchungen. Das macht skeptisch, oder?

Hier nun der Link zu dem Film über das Freie Schreiben:

http://www.planetopia.de/archiv/news-details/datum/2011/11/21/fallsche-raeschtschreibung-wie-schueler-mit-lautschrift-besser-lernen-sollen.html

Viel Spaß beim Anschauen!
 
von Gracelynn (09. Juli 2017, 02:49):
Apeiocratipn for this information is over 9000-thank you!
 

Nach oben

Tagebucharchiv:
März 2017
Februar 2017
November 2016
September 2016
Mai 2016
April 2016
März 2016
Februar 2016
Januar 2016
November 2015
Oktober 2015
August 2015
Juli 2015
Juni 2015
Mai 2015
März 2015
Februar 2015
Januar 2015
Dezember 2014
November 2014
Oktober 2014
September 2014
August 2014
Juli 2014
Mai 2014
März 2014
Januar 2014
Dezember 2013
November 2013
Oktober 2013
September 2013
August 2013
Juli 2013
Juni 2013
April 2013
März 2013
Februar 2013
Januar 2013
Dezember 2012
November 2012
Oktober 2012
September 2012
August 2012
Juli 2012
Juni 2012
Mai 2012
April 2012
März 2012
Februar 2012
Januar 2012
Dezember 2011
November 2011
Oktober 2011
September 2011
August 2011
Juli 2011
Juni 2011
Mai 2011
April 2011
März 2011
Februar 2011
Januar 2011
Dezember 2010
November 2010
Oktober 2010
September 2010
August 2010
Juli 2010
Juni 2010
Mai 2010
April 2010
März 2010
Februar 2010
Januar 2010
Dezember 2009
November 2009
Oktober 2009
September 2009
August 2009
Juli 2009
Juni 2009
Mai 2009
April 2009
März 2009
Februar 2009
Januar 2009
Dezember 2008
November 2008
Oktober 2008
September 2008
August 2008
Juli 2008
Juni 2008
Mai 2008
April 2008
März 2008
Februar 2008
Januar 2008
Dezember 2007
November 2007
Oktober 2007
September 2007
August 2007
Juli 2007
März 2007
Februar 2007
Januar 2007
Dezember 2006
November 2006
Oktober 2006
September 2006

Veranstaltungen:



[ Seite weiterempfehlen | Seite zu Favoriten hinzufügen | Druckversion dieser Seite anzeigen ]