»Fritz Nopf meint« »Natürlicher Verstand kann fast jeden Grad von Bildung ersetzen, aber keine Bildung den natürlichen Verstand.« Das sagte Arthur Schopenhauer, und wer wollte ihm ernsthaft widersprechen? Alle Entscheidungen im täglichen Leben gelingen nur, wenn man Verstand und Erfahrung zusammenfügt. Verstand allein genügt nicht, wenn nicht ein gutes Maß an Lebenserfahrung dazukommt und mit dem Verstand eine fruchtbare Verbindung eingeht. Alles Studium der Welt ist nicht in der Lage, Erfahrung zu ersetzen. Man mag wohl hübsch gestaltete Bildungszertifikate an den Ausgangstüren der Hochschulen verteilen, man kann sie sogar an alle verteilen, ohne Ansehen von Leistung und Können. Ja, das ist möglich, wenn der Staat es befürwortet. Ein Säckchen, das gefüllt wäre mit dem Granulat der »Lebenserfahrung«, ist jedoch nicht erhältlich aus gütiger Professorenhand. Die Mosaiksteinchen der Erfahrung müssen von jedem Menschen im Laufe seines Lebens selbst gesammelt werden. Mit anderen Worten: die Füllung des individuellen Säckchens ist am Ende nolens volens erkämpft und erlitten. Darin ist das Leben unerbittlich. Und gerecht: denn es gilt für uns alle gleichermaßen. Hierin also sind den Studierten jene gleichgestellt, die niemals einen Fuß in höherer Bildungseinrichtungen gesetzt haben; ja ich, der unmaßgebliche Fritz Nopf, behaupte, die draußen vor der Tür sind gegenüber jenen dahinter sogar im Vorteil, da ihnen keine künstlichen Vorstellungen die realistische Sicht auf das tatsächlich Seiende verbauen. Der Lockruf der Bildungseinrichtungen lautet: »Komm zu uns und habe Vertrauen! Wir versorgen dich mit Wissen, und wenn du unsere Anstalt verläßt, wirst du zu den Gebildeten gehören, die Anspruch haben auf Glück und Wohlstand!« Diese Fata Morgana verführt nicht wenige der Gerufenen zu Denkfaulheit und Arroganz. Wer meint, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, wird sich selbst nicht mehr anstrengen wollen. Eine zu früh einsetzende und einseitig akademisierte Lehre birgt eine bislang zu wenig beachtete Gefahr: der junge Mensch könne es für unnötig halten, auf unvoreingenommene und neugierige Weise selbst Lebenserfahrungen zu sammeln. Er geht den bequemen Weg, den ihm die Papiere weisen. Das Selbsterlebte und -erlittene jedoch bildet erst den Humus für eine lebendige und authentische Bildung, die zugleich immer auch Herzensbildung ist. Eine gebildete Person ist immer und ohne Ausnahme von demütigem Charakter, der sich auf steinigen Wegen dazu geformt hat. Der vorzeitig – schon im Kindergartenalter! – mit Theorie und Formalia vollgestopfter Geist könnte es im weiteren Verlauf des Lebens für überflüssig und unter der persönlichen Würde halten, herabzusteigen vom hohen Roß vermeintlicher Gelehrtheit. Das aber ist Vorbedingung, um das echte Leben zu erkunden. |