Alles geht immer schneller ... Wir sitzen auf einem Karussell, und dieses dreht sich immer schneller. Erledigungen, die früher einmal einen großen Teil des Alltags in Anspruch nahmen, sind heute im Nu vollbracht und ohne großen Aufwand an Kraft oder Geschick zu bewältigen: Geschirr spülen, Wäsche waschen, von Köln nach Frankfurt reisen, eine Nachricht verschicken (E-Mail) ... hierzu fallen uns gleich zahlreich Beispiele aus allen Lebensbereichen ein. Und wie steht es um das Lernen? Lässt sich auch das beschleunigen? Vielleicht mit entsprechenden elektronischen Lernprogrammen? Oder mittels eines besonderen Tricks? Versprechungen dieser Art werden nicht selten gemacht. Wenn Kinder in immer jüngeren Jahren an das schulische Lernen herangeführt werden (also bereits im Kindergartenalter eine Art universitärer Vorbildung erhalten) und sie zu all dem sogar mittels pädagogisch ausgefuchster Hilfsausrüstungen »schneller« lernen können, sollte dann nicht die Schulzeit insgesamt drastisch verkürzt werden? Nein, ich möchte Sie, geschätzter Leser, nicht auf den Arm nehmen.
Der Faktor Zeit: eine genetische Vorgabe Die Nachdenklichen unter uns haben schon längst festgestellt, dass der Faktor Zeit sich niemals wird ausblenden lassen: zum Lernen gehört das Reifen. Das Reifen – also das Werden von Körper und Verstand – vollzieht sich nach einem genetisch festgelegten Programm, das sich jedem menschlichen Manipulationsversuch beharrlich widersetzt. Darauf Rücksicht zu nehmen ist Aufgabe von Eltern, Erziehern und Lehrern. Niemals dürfen wir Kindern zumuten, wofür sie noch nicht die geistig-seelische Reife besitzen! Denn es fällt buchstäblich auf unfruchbaren Boden. Schlimmer noch, der falsche Zeitpunkt könnte zu dauerhafter Ablehnung dessen führen, was verfrüht angeboten wurde. Damit erreichen wir in all unseren engagierten Bemühungen dann so ziemlich das Gegenteil dessen, was beabsichtigt war. Pädagogische Folgen von Beschleunigung und Verfrühung Diesen Schöpfungsregeln zum Trotz steht unseren Schulkindern immer weniger Zeit zur Verfügung, um sich die Grundfertigkeiten des Lesens, Schreibens und Rechnens anzueignen. Wir lassen es hauptsächlich dabei bewenden, den Schülern Regeln zu erklären, wir wollen sie über den Verstand erreichen und meinen, damit ein Stück Lernweges eingespart zu haben. Es soll ja schnell gehen! Der Appell an die Vernunft bewirkt, dass unsere Kinder gescheit reden über das, was man ihnen erklärt hat zu tun. Die Handlung selbst wird weder vertraut noch als aktive Gewohnheit verankert. Zwischen Reden und Können liegen Welten! Für die Pädagogik gilt ... Es gibt nichts zu beschleunigen in der kindlichen Enwicklung – weder auf der körperlichen, noch der geistigen Ebene. Weshalb finden wir uns in der Pädagogik so schwer damit ab? Oder lassen wir uns allzusehr von den Moden beeinflussen, die von einer »pädagogischen Industrie« in die Schulen hineingeschwemmt wird? Doch können Sie, kann jeder von uns entgegenhalten: Nehmen wir uns bewusst Zeit – für uns selbst und für unsere Kinder. Kape |