Der Sozialismus, der auszog, um die Menschen sozialer zu machen, hat sie durch die Enteignung des Privateigentums und durch das totalitäre politische Zwangsregime unter der Diktatur des Proletariats egoistischer und asozialer gemacht und eine eigentliche soziale Wüste hinterlassen. Die sozialistische Methode hat die Erreichung der sozialen Ziele der eigenen Ideologie verunmöglicht und in ihr Gegenteil verkehrt. Die marxistische Vision von einem Reich der Freiheit, in dem es keine Herrschaft von Menschen über Menschen gibt und nur die gemeinsame Verwaltung von Sachen, ist nicht an sich böse, aber unmöglich. Was auf die Dauer nicht funktioniert, kann auch nicht gut und gerecht sein. Die gemeinsame Verwaltung von Sachen schafft jene Freiräume ab, in denen Tausch und Kommunikation möglich und sinnvoll sind: das Privateigentum. Ohne Privateigentum an der eigenen Person gibt es keine Freiheit und ohne die individuelle Sachherrschaft gibt es kein autonom nutzbares Eigentum an der eigenen Person, keine Mündigkeit und keine Verantwortung, keine Hilfsbereitschaft und keine frei gewählte Solidarität. Der Mensch ist weder ganz gut noch ganz böse. Aber wenn man ihn nur machen lässt, wählt er im intelligenten Eigeninteresse eine Lebensstrategie, bei der er auch für andere Menschen nützlich sein will. Der nichtgezwungene Mensch wird nicht einfach raffgierig, denn er will auch anerkannt, geliebt und gelobt werden und merkt früher oder später, dass er dafür nur als Auch-Gebender eine Chance hat. Der Tausch (Katallaxis) wird somit zu einer permanenten Schule der Wechsel- und Gegenseitigkeit, ein stets offenes Angebot, die eigene Position zu verbessern, indem man auch die Positionen der andern verbessert. In dieser Schule gibt es auch Versager, Querschläger, Abzocker und Egozentriker, aber die nehmen ihrerseits eine Funktion als abschreckende Beispiele wahr, wenn man sie nicht zu Märtyrern und Helden macht. Möglicherweise ist diese Sicht eine Spur zu optimistisch. Die Gauß'sche Kurve der Normalverteilung gilt auch bei der Verteilung von Sympathie und Aggression unter den Menschen. Der freie Mensch ist nicht in allen Fällen und automatisch wohlwollend und sozialverträglich. Aber es gibt für mich keinen Grund, die Freiheit als Einfallstor zur Verschlechterung der Menschheit zu deuten, und alle Versuche, diese Normalverteilung durch kollektiven Zwang zu verbessern, haben bisher nur das Gegenteil bewirkt. Man sollte bei der Verbesserung der Menschheit bei sich selbst beginnen und auch diesbezüglich bescheiden bleiben. Robert Nef Robert Nef ist Leiter des Liberalen Instituts, Zürich robertnef@libinst.ch www.libinst.ch Zuschrift zum Artikel „Der Sozialstaat als Religion" Publiziert in: Eifrei, September 2007
Wir danken den Autor für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichungen im Tagebuch des STOLZ Verlags. |