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Die Reform wird nicht mehr rückgängig gemacht, weil wir ...

 
22. September 2010
Die Reform wird nicht mehr rückgängig gemacht, weil wir ...
Kategorien: Schriftkultur | Humor
 

... zu viel investiert haben

»Zwei Dinge sind zu unserer Arbeit nötig: Unermüdliche Ausdauer und die Bereitschaft, etwas, in das man viel Zeit und Arbeit gesteckt hat, wieder wegzuwerfen.« Da sagte Albert Einstein aber etwas! Da muß etwas Wahres dran sein, das erleben wir am Beispiel der allseits geliebten Rechtschreibreform. Sobald sich jemand mühsam in eine Sache eingearbeitet hat, will er partout nicht mehr von ihr lassen, da mag das Ergebnis noch so absurd sein. Liegt nicht etwas Irrationales im verbissenen Kampf um das Verlorene? Im Nachhinein sind wir endlich klüger. Dann bricht das große Staunen aus über die eigene Torheit. Woher kommt bloß die seltsame Leidensbereitschaft, die sich beharrlich weigert, sogar große Brocken nicht aus dem Weg zu räumen, über die man doch andauernd stolpert wie Freddy Frinton im Kultsketch »Dinner for one«?

Es ist jetzt bald zehn Jahre her, daß sich auf einem Diskussionsforum im Internet ein lebhafter Schlagabtausch zwischen Befürwortern und Kritikern der Rechtschreibreform entwickelte. Einer der Kommentatoren argumentierte für die Beibehaltung der Reformschreibung, doch nicht etwa aufgrund deren überlegener Qualität (»Die Rechtschreibreform ist sch...«), sondern — aber lassen wir ihn selbst zu Wort kommen: »Die Reform wird nicht mehr rückgängig gemacht werden, dafür steckt schon zu viel Investition drin.«
Diese (Un)Logik brachte einen kritischen Zeitgenossen derart auf die Palme, daß er aus seiner intellektuellen Verzweiflung heraus Zuflucht in der Humoreske suchte. Er schrieb:

Sagt der Arzt zu seinem krank und kränker werdenden Patienten: »Die Medizin taugt nichts. Aber wir können die Therapie nicht mehr abbrechen, dazu hat die Krankenkasse schon zu viel investiert.«

Sagt der Wanderführer zur Gruppe: »Wir haben uns verlaufen. Hier kommt steiles Gelände, wahrscheinlich bleiben da einige von uns hängen. Aber umkehren können wir auch nicht mehr, dafür sind wir schon zu weit gewandert.«

Sagt der Buslenker zur den Fahrgästen: »Das Benzin geht aus. Auf der Überlandstrecke kommt keine Tankstelle mehr. Aber es macht keinen Sinn, jetzt noch umzukehren. Es ist einfach zu spät, und einige von uns haben einen Termin und müssen pünktlich ans Ziel kommen.«

Sagt die Mutter zur Familie: »Die Pastete ist verdorben. Aber ich habe so viel Geld dafür im Delikatessenladen ausgegeben, daß wir sie nicht einfach wegwerfen können. Wir müssen sie aufessen.«

Sagt die Frau zum Mann: »Diese teuren Schuhe hier sind mir zu eng, meine Zehen werden taub, wenn ich sie trage. Ich gehe mal zum Arzt, damit er mir ein Schmerzmittel verschreibt. Ich habe zuviel in dieses Schuhwerk investiert, verstehst du, ich muß sie anziehen.«

Das konnte natürlich so nicht stehenbleiben. Umgehend meldete sich ein erboster Verteidiger des staatlichen Reformvorhabens zu Wort. Er fragte bissig: »Sind Sie nicht mehr in der Lage, nach einer konstruktiven Lösung zu suchen?« Darauf bekam er ebenso umgehend folgende Antwort:

Doch, lieber XY, so lange mich meine Füße tragen und meine Finger beweglich genug sind, um meine Worte in das Keyboard zu tippen. Also versuchen wir es:

Arzt bietet vernünftigen Kompromiß an: »Wir nehmen nur noch die halbe Dosis der schädlichen Medizin. Dann kann der Pharmakonzern überleben, ich sowieso und Sie — vielleicht — auch, das wird man noch sehen.«

Der Wanderführer meint, es sei die beste Lösung, den erreichten Punkt zum Zielort zu erklären und da stehenzubleiben, wo man sich nun gerade befinde. Das sei klug, denn dieser Kompromiß erspare allen Wanderern beides zugleich: den Steilhang und den Rückweg.

Der Buslenker: »Hat jemand Fusel da? Wir verlängern damit das Benzin. Wenn es nicht klappt, schieben wir den Bus. Dazu singen wir laut. Das vertreibt die Geister und steigert die Laune.«

Die Mutter, Sie wissen schon, die mit der verdorbenen Pastete, sagt beleidigt: »Okay, wenn ihr das nicht wollt, ich akzeptiere das. Ich esse sie alleine auf. Ich bin eh daran gewöhnt, daß ich hier alles selber machen muß.«

Die Frau zum Mann: »Ich weiß, was ich tu! Ich ziehe die Schuhe nur an allen ungeraden Kalendertagen an. Die geraden dienen dann der Pflege und Erholung der lädierten Zehen.«

Es ist wahr: Vernünftige Kompromisse lösen jedes Problem. Wenn wir ein wenig nachdenken, fallen uns bestimmt unzählige Beispiele aus dem Alltag ein!



Kommentare zu diesem Beitrag:
von Zeitgenosse (07. November 2011, 19:30):
Haha! Köstlich!
Und wahr.
 



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