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Schulpflicht

 
11. April 2010
Schulpflicht
Kategorie: Schule

Der Lehrer John Taylor Gatto über das Ergebnis der staatlich erzwungenen Schulpflicht in Amerika

»Unsere Form der Schulpflicht ist eine Erfindung des Staates Massachusetts um 1850. Schätzungsweise achtzig Prozent der Bevölkerung von Massachusetts haben sich dagegen gewehrt — manchmal sogar mit Schusswaffen. Der letzte Außenposten in Barnstable am Cap Cod gab seine Kinder erst um 1880 her. Damals wurde das Gebiet vom Militär besetzt, und die Kinder marschierten unter Bewachung zur Schule.

Hier gilt es jetzt eine merkwürdige Vorstellung abzuwägen: Das Büro von Senator Ted Kennedy hat vor nicht allzu langer Zeit eine Studie herausgegeben, in der behauptet wird, dass vor Einführung der Schulpflicht die Alphabetisierungsrate in unserem Land bei achtundneunzig Prozent lag, während nach der Einführung die Zahl nie über einundneunzig Prozent ging — Stand des Jahres 1990.

Und hier ist eine andere Merkwürdigkeit, die nachdenklich macht: Die Homeschoolbewegung ist in aller Stille immer weiter gewachsen, so dass derzeit eineinhalb Millionen junge Menschen ausschließlich familienzentriert gebildet werden; erst kürzlich ging die überraschende Neuigkeit durch die Feuilletons, dass die zu Hause gebildeten Kinder ihren formal unterrichteten Gleichaltrigen in ihrer Denkfähigkeit um fünf oder sogar zehn Jahre voraus sind.«

John Taylor Gatto
Verdummt noch mal! Der unsichtbare Lehrplan oder Was Kinder in der Schule wirklich lernen. Genius Verlag, Bremen 2009

Das Zitat ist dem Buch entnommen (Seite 36)

Es bleibt dem Leser überlassen, Parallelen zu ziehen  ...
Karin Pfeiffer

Siehe dazu auch folgender Tagebucheintrag:
»Er verkauft mir die Eier«



Kommentare zu diesem Beitrag:
von U. Prasuhn (18. April 2010, 22:59):
Wenn John Taylor Gatto mit seinem Buch erreicht, dass unser gesellschaftlicher Blick nicht laenger getruebt wird fuer den Wert familiaerer Bildung und Erziehung, hat er einen Orden verdient.
Unsere Bildungs- und Erziehungsmisere wird sich keineswegs verringern, sondern weiter zunehmen, wenn wir unbeirrt am Kern des Problems vorbeischauen und Politiker sowie ein Heer sogenannter Fachleute ihren Nutzen daraus ziehen, dass verunsicherte Eltern ihnen zunehmend das Feld der Erziehung ueberlassen. Falsche Ideologien - nicht selten im Gewand wissenschaftlicher Erkenntnis - haben natuerlichen Empfindungen und Impulsen den Kampf angesagt und zunehmend dafuer gesorgt, dass auch sehr kleine Kinder vielerorts massenbetreut werden anstatt ihr Wohl in den Haenden der Familie zu belassen, die von Natur aus viel geeigneter sind.
Hoffentlich lesen viele Menschen John Taylor Gattos Buch. Er zeigt einen Fall von modernem Fortschritt, der in Wahrheit ein fataler Rueckschritt ist zu Lasten der Kinder.
"Kinderfeindlich" wird unsere Gesellschaft gern genannt und das Urteil beruht oft auf der angeblich zu geringen Anzahl von Horten oder sonstigen moeglichst ganztaegigen Betreuungseinrichtungen. Wuenschen sich eigentlich Kinder ein Mehr von diesem "Segen" oder sind es nicht vielmehr die Erwachsenen?
Unser Nachwuchs muss reichlich herhalten fuer die verlogene Begruendung unserer Erwachseneninteressen, die sogar oft im Gegensatz zu den ihrigen stehen. Das Ganze hat System und ist darum so perfide, weil es den Geschaedigten zum Nutzniesser macht und jedweden Skrupeln den Wind aus den Segeln nimmt.
Wer offen ist fuer ungewohnte Wahrheiten, sollte sich John Taylor Gattos Buch nicht entgehen lassen. Es ist wirklich lesenswert.







 
von Karin Pfeiffer (21. April 2010, 21:50):
Liebe Frau Prasuhn,
ich danke Ihnen herzlich für den unterstützenden Kommentar und hoffe mit Ihnen, daß Gattos Buch vielen Eltern und Lehrern Mut macht, die Leiden der Kinder zu lindern, die durch die Anonymität der Großschulsysteme und der Vermassung entstehen. Ich werde nicht aufhören, darauf aufmerksam zu machen. Niemals dürfen wir gleichgültig werden. Niemals dürfen wir sagen: Es hat ohnehin keinen Zweck. Die kleinste gute Tat ist besser als gar keine.
 
von N. Disson (01. Mai 2010, 09:36):
"Homeschooling" verstand ich bisher als Ausdruck von Sektierertum, das seine Kinder gegen Andersdenkende abzuschotten sucht. Einzelfälle in den Medien passten zu dieser Annahme.
Der Auszug aus John Taylor Gattos Buch und die beiden Kommentare dazu machen allerdings stutzig und werfen ein anderes Licht auf die Sache.
Wenn ein Lehrer nach jahrzehntelanger Erfahrung zu dem Schluss kommt, dass familienzentriertes Lernen dem schulischen weit überlegen ist, dass Schule sogar mehr verbildet als bildet, dann wird man schon nachdenklich und versteht auch die Stimmen besser, die weniger Krippe, Hort oder Schule wünschen anstatt mehr. Sie sind dann auch nicht mehr Ausdruck erzkonservativen Denkens, das alten Zeiten nachtrauert und jeden
"Fortschritt" ablehnt.

Dem Stolz Verlag möchte ich an dieser Stelle danken für sein immer wieder interessantes "Tagebuch" und die vielen Denkanstöße oder Empfehlungen darin!
 
von Karin Pfeiffer (01. Mai 2010, 11:35):
Herzlichen Dank für die wunderbaren Worte. Auch ich habe vor nicht langer Zeit Homeschooling ähnlich bewertet: wir sind aufgrund unserer festgezurrten Perspektive gar nicht in der Lage, Alternativen auch nur zu denken. Als ich noch im Schuldienst war, empfand ich den Schulzwang unter Androhung von Bußgeld als natürlich und — hielt dieses Vorgehen darüber hinaus für notwendig. Erwerb von Kulturtechniken und Bildung sollte außerhalb schulischer Einrichtungen möglich sein? Das war ein ketzerischer Gedanke.

Ich habe meine Einstellung im Laufe der Zeit geändert, als ich mir verschiedenartige Sichtweisen zu eigen machte. Das hartnäckige Beharren auf dem eigenen, notwendigerweise beschränkten Standpunkt, ist selten zweckdienlich, da es niemals nur eine richtige Sichtweise für alle Menschen gibt. Was dem einen förderlich ist, an dem mag ein anderer zerbrechen. Deshalb kann die zwangweise Gleichbehandlung für alle Individuen unter Androhung von Gewaltanwendung nicht richtig sein.

Auch das im vorherigen Kommentar erwähnte Wort "Fortschritt" in Verbrüderung mit dem Attribut "neu" hat schon viel Elend erzeugt: die Ergebnisse des Fortschreitens werden leichtgläubig als Weiterentwicklung zum Positiven begriffen, was sie doch mitnichten sind. Neu ist nicht gleich gut, allenfalls anders. Was die Zukunft betrifft, so können wir niemals vorhersagen, welche unserer Entscheidungen sich im nachhinein als richtig und gut oder als falsch und schmerzhaft erweisen werden.
Sicher aber ist dieses — und jeder kann es in der Praxis beobachten: Kollektiverziehung in Massenschulen verletzt die Seele und bringt Eigenschaften hervor, die wenig wünschenswert sind. Unsere Kinder haben in der Tat etwas Besseres verdient ...

Wenn es mir gelingt, zum Nachdenken anzuregen, freut mich das. Wenn es mir darüberhinaus gelingen sollte, Eltern, Lehrern und Schülern Trost und Mut zuzusprechen, dann lohnt sich mein Einsatz.
 



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