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Wird "Lesen durch Schreiben" verboten?

 
14. August 2013
Wird "Lesen durch Schreiben" verboten?
Kategorie: Schriftkultur
   
 

Hamburg, 13. August 2013
Schädliche Praxis "Lesen durch Schreiben" endlich auf dem Prüfstand

 
 

„Die für Grundschüler schädliche Praxis „Lesen durch Schreiben“ kommt in Hamburg endlich auf den Prüfstand. Siehe hier und hier.

Bei Lesen durch Schreiben dürfen die Schüler zunächst die Wörter so schreiben, wie sie sie hören, d. h. so ungenau oder undeutlich, wie sie jeweils in ihrer Klasse verwendet werden. Zentrales Hilfsmittel ist eine „Anlaut- oder Buchstabentabelle“, die mit Bildern arbeitet. In den ersten beiden Klassen korrigieren die Lehrer die Schreibversuche nicht. Die Erwartung ist, dass die Jungen und Mädchen durch häufiges Schreiben allmählich die korrekte Rechtschreibung erlernen. Das Resultat ist jedoch, dass sich die Mehrzahl der Kinder zunächst eine falsche Schreibweise angewöhnt und diese später nur mit großen Anstrengungen, wenn überhaupt, wieder ablegen kann.

Das Problem ist tatsächlich sogar im behördlichen Bildungsplan verankert, bei dem man allerdings auch von einem „Unbildungsplan“ sprechen könnte: Der „Bildungsplan“, so die Schulbehörde, schreibe vor, „dass von Anfang an vielfältige Lerngelegenheiten geschaffen werden, in denen zugleich Rechtschreibkompetenz, Rechtschreibstrategien und grammatikalisches Wissen erworben werden“. Das bedeutet im Klartext: In den Hamburger Grundschulen herrscht Konzeptlosigkeit und es ist dem Zufall und Glücksfall überlassen, ob ein Kind zu guten Klassenlehrern kommt, die nach der klassischen Methode unterrichten, oder sich mit der Methode „Lesen durch Schreiben“ selbst überlassen bleibt.

Wichtig wird es sein, bei der jetzt anstehenden Überprüfung sicherzustellen, dass auch die klassischen und erfolgreichen Unterrichtsmethoden, wie z. B. regelmäßige Wiederholungen und Vertiefungen bei (auch bewerteten) Diktaten wieder eingeführt werden.“

Quelle: Wir wollen lernen! Förderverein für besser Bildung in Hamburg e.V.

 
   
   


Kommentare zu diesem Beitrag:
von Christoph (20. August 2013, 13:09):
Welch gute Botschaft, auch wenn es sich vorerst nur um eine Überprüfung dieser unseligen Methode handelt. Immerhin kommt sie dadurch ins Gerede und kann nicht mehr so ungebremst ihren Siegeszug fortsetzen.
Dass die Lehrer nicht energisch gegen das "Lesen durch Schreiben" vorgingen, ist indes ein Rätsel. Meiner Meinung nach hätten sie als erste lauthals warnen müssen. Dieses Versäumnis wirft kein gutes Licht auf sie.
Ich möchte dem Stolz Verlag, insbesondere der klugen und wachsamen Frau Pfeiffer, endlich einmal danken für die unermüdlichen Warnungen vor dieser und anderen fragwürdigen Methoden, die scheinbar immer müheloser die Schulen erobern und für zahlreiche Leistungsschwächen sorgen.
Warum nur versagen hier die Lehrer so eklatant? Wenn mir jemand auf dieses traurige Rätsel doch endlich einmal eine schlüssige Antwort gäbe.
 
von Karin Pfeiffer (20. August 2013, 21:47):
Lieber Christoph,

danke für Ihren Kommentar und die lobenden Worte. Zum Rätsel des Lehrerversagens habe ich mir auch oft Gedanken gemacht. Ich befürchte, die Antwort ist so banal wie ernüchternd.
Zum einen scheint das Thema Schule und Pädagogik nicht wichtig genug zu sein, daß man sich dafür in die Nesseln setzen möchte.
Zum anderen sind Lehrer weisungsgebunden und gewohnt, alle Vorgaben getreulich zu verwirklichen, und seien diese noch so wirklichkeitsfremd oder gar schädlich.
Zum dritten gibt es gesellschaftliche Entwicklungen, die quasi als Selbstläufer fungieren. Schuld daran ist der Nachahmungstrieb und das Harmoniebedürfnis der Menschen – im Grunde wünschenswerte und nützliche Eigenschaften. Gesellschaftliches Zusammenleben erfordert es, sich an den anderen auszurichten und nicht mutwillig gegen den Strom zu schwimmen. Handelt es sich dabei um fruchtbare Verhaltensweisen, so kommt dies allen zugute. Leider entwickeln sich schädliche Verhaltensmuster auf eben dieselbe Weise. Im schlimmsten Fall gerät ein gesellschaftlicher Sektor oder gar die ganze Gemeinschaft dann auf die schiefe Ebene, ohne daß ein einzelner etwas dagegen tun könnte.
Was geschieht, wenn die Weichen falsch gestellt werden, können wir zur Zeit speziell an der Entwicklung der EU und der Gemeinschaftswährung beobachten. Auch hier gibt es genügend warnende Stimmen – dennoch werden sie ignoriert.

Auch in der Pädagogik beobachten wir eine verblüffende Realitätsverweigerung. Wo immer mehr Kinder auch nach vier Jahren Grundschulunterricht nicht richtig schreiben lernen, muß etwas an der Methode falsch sein. Unsere Kinder sind nicht dümmer als die früherer Generationen. Und das Schreibenlernen ist keine höhere Kunst, die lediglich von den Intelligenten erlernt werden könnte.

Sie haben recht, Christoph, es ist bereits ein Fortschritt, wenn die untaugliche Methode „Lesen durch Schreiben“ zur Diskussion zugelassen wird. Wollen wir hoffen, daß es sich nicht um ein Strohfeuerchen handelt!
 
von Christoph (21. August 2013, 01:23):
Herzlichen Dank, Frau Pfeiffer, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, mir zum Rätsel des Lehrerversagens eine Antwort zu geben. Was Sie schreiben, leuchtet ein, wirft für mich jedoch weitere Fragen auf wie z. B. die nach dem Berufsethos und dem Verantwortungsgefühl der Lehrer.
Können oder dürfen sie z.B. Verhaltensmuster (Methoden) übernehmen, auch wenn sie sehen, dass sie den Kindern damit schaden?
Diese Frage ist moralischer Natur, aber von Lehrern sollte zu erwarten sein, dass sie Moral nicht nur predigen, sondern sich selbst nach ihr richten und mutig aufbegehren, wenn es um das Wohl und Wehe ihrer Schüler geht.
Abgesehen von Moral ziehe ich aber auch rein sachlich einen Vergleich mit anderen Berufsgruppen. Eine Köchin geriete z. B. sehr schnell ins berufliche Abseits, wenn sie sich stur und bequem an Rezepte hielte, auch wenn diese den Kunden auf den Magen schlügen. Hier zählt guter Service und nicht willige Anpassung an untaugliche Orders und Empfehlungen.
Bei den Lehrern ist das offenbar anders. Je angepasster, desto anerkannter, scheint ihre Erfahrung bzw. Devise, egal wie gut oder schlecht sich ihr Verhalten auf die Schüler auswirkt.
Ginge es um sog. peanuts, wäre diese unrühmliche Einstellung kaum der Rede wert. Doch der Bildung unseres Nachwuchses gehört nun mal oberste Priorität.
Und eine Lehrerschaft, die ihre eigene Anerkennung immer weniger im Fortkommen der Schüler sieht und immer mehr in belohnender Anpassung, ist eine schlechte Mitstreiterin im Kampf um gute Bildung.
 
von Pädagoge (22. August 2013, 15:15):
In welchem Jahrhundert leben Sie eigentlich, Christoph?
Dass Lehrer sich selbst bestätigt sehen durch das "Fortkommen der Schüler", ist finsterstes Mittelalter.
Und was heißt überhaupt Fortkommen? Dies am Lesen-, Schreiben- oder Rechnenkönnen zu messen, wie Sie das anscheinend tun, gehört ebenfalls längst auf den Müllhaufen der Geschichte.
Begreifen Sie denn nicht, dass es heute um ganz andere Bildungswerte geht? Penible sexuelle Aufklärung mit viel Anschauung ist z.B. gefordert oder politische Aufklärung durch Aktivitäten gegen Rechts.
Unsere Schule hat längst eine Initiative gegen Rechts gegründet. Die Schüler/innen spielen in der Pause gegen Rechts, malen und turnen gegen Rechts oder pinkeln im Klo gegen Rechts.
Das macht aus ihnen lebenstüchtige Staatsbürger, die wissen, worum es geht.
Sie sollten das auch besser wissen, Christoph, und von LuL nicht Dinge verlangen, die Schulen zurückwerfen in vergangene Jahrhunderte.
 
von Pädagogin (24. August 2013, 12:22):
Genau, werter Kollege! Der gute Christoph sollte sich mal schlau machen und auf neueren Stand bringen.
Ein bisschen Google unter dem Suchbegriff "Schule gegen Rechts" würde ihm die Augen öffnen über die zahllosen Initiativen von verantwortungsbewussten Lehrern gegen Rechts oder Rechtsextremismus. Beides ist ja, wie wir inzwischen dank der Medien wissen, dasselbe.
Lesen und Schreiben mag zwar noch eine Rolle spielen, doch veränderte Zeiten verlangen veränderte Prioritäten.
Dazu die ganz einfache Frage an Christoph: Wird unsere Gesellschaft von Analphabeten bedroht oder von Rechtsextremisten?
Die Antwort auf diese und andere wichtige Fragen muss sich nicht nur in der Politik niederschlagen, sondern auch in der folgsamen Anpassung der Lehrer.
Wer anderes behauptet, ist entweder ein ewig Gestriger oder ein heimlicher Rechter, der seine Felle davonschwimmen sieht.



 
von Christoph (24. August 2013, 23:51):
Da haben es mir die Experten aber tüchtig gegeben. Ich bin am Boden zerstört, habe Bauchmuskelschmerzen und wage kaum mehr etwas zu sagen.
Darum nur zwei Fragen an den Herrn Pädagogen.
1. Was bedeutet "LuL"?
2. Wie geht das bei Mädchen mit der Aktion gegen Rechts auf dem Klo? Wie wurden sie befähigt, in eine bestimmte Richtung zu zielen?
Oder nahmen die Mädchen an diesem Tel der Initiative nicht teil?


 
von Pädagoge (25. August 2013, 11:23):
Beide Fragen passen zu Ihnen, Christoph. Früher hieß es noch "Lehrer und Lehrerinnen", heute aber nur noch "LuL". Vereinfachen und Zeit sparen ist das Gebot der Stunde.
Bei der zweiten Frage habe ich das ungute Gefühl, dass Sie mit Absicht missverstehen, um unsere Initiative lächerlich zu machen. Diese läuft unter dem Motto "GEGEN Rechts" und nicht "NACH Rechts". Verstanden?
Außerdem würden wir nie Aktivitäten gutheißen, bei denen Mädchen benachteiligt sind. Im Gegenteil, gleiche Bildungschancen und soziale Gerechtigkeit werden sowohl bei uns als auch in anderen Schulen großgeschrieben.

 
von Schulmeisterin (26. August 2013, 16:40):
"Wird unsere Gesellschaft von Analphabeten bedroht oder von Rechtsextremisten?"
Diese Frage finde ich interessant und warte gespannt auf Ihre Anwort, Christoph.
 
von Christoph (26. August 2013, 23:00):
Oh nein, kann nicht ein anderer auf diese komische Frage antworten? Meine Meinung würde nur wieder in der Luft zerfetzt.
Andererseits kann sich jeder meine Antwort denken, also kann ich sie auch gleich sagen. Natürlich ist eine Analphabetisierung bzw. eine zunehmende Anzahl der Analphabeten gefährlicher als ein, wie ich glaube, aufgebauschter Feind von Rechts.
 
von Pädagogin (28. August 2013, 19:44):
Werter Herr Christoph, falls das Ihr Ernst ist, muss ich annehmen, dass sie über die sog. Kulturtechniken rechtslastige Ziele in den Schulen verfolgen. Und das ist nicht hinnehmbar angesichts der NSU-Verbrechen, die uns alle dieser Tage wieder betroffen machen. Eine solche Meinung auch nur zu flüstern, ist bereits verwerflich, sie aber auch noch schwarz auf weiß vor Augen zu führen, stellt eine Ungeheuerlichkeit dar.
Jedem guten Staatsbürger muss bei Ihrer Realitätsverweigerung klar sein, zu welchen infamen Mitteln die Rechten greifen, um unsere Jugend auf ihre Seite zu ziehen. Darum bin ich strikt dafür, dass zu Gunsten einer Pflege der politisch korrekten Meinung in unseren Schulen noch stärker auf geeignete Unterrichtsinhalte geachtet wird. Für sie sind andere Fächer zu entrümpeln. Der Deutschunterricht bietet sich für eine solche Neuorientierung geradezu an.
 
von Schulmeisterin (03. September 2013, 00:46):
Ich stimme Ihnen absolut zu, Christoph. Meine Hoffnung war, dass Sie genauso antworten, wie Sie es getan haben.
Und lassen Sie sich von den "Experten" bloß nicht ins Bockshorn jagen. Von einer Pädagogik, die den Schülern nützt, haben die offensichtlich keine Ahung.
 
von Christoph (09. September 2013, 10:47):
Scheint mir auch so. Die Kunst, unerwünschte Meinungen zu diffamieren und sogar mit dem Stempel "staatsgefährdend" zu versehen, beherrschen diese selbsternannten Autoritäten dafür umso besser.
Sollen sie mal weiter ihre Feindbilder pflegen, mir werden sie so leicht nicht das Hirn verdrehen.
 
von Klaus R. (24. September 2013, 13:14):
Wenn die Beiträge von "Pädogoge/Pädagogin" als Satire gemeint waren, okay. Dann ist sie aber schlechte Satire, weil das Thema viel zu ernst ist, darüber Scherze zu machen. Anscheinend wünschen sie sich eine Gesellschaft, die eine Mischung aus "1984", "Animal Farm" und "Brave New World" darstellt. Also einen totalen Überwachungsstaat, in dem natürlich die Überwacher (die Schweine) gleicher sind als die anderen, und in dem eine Verpflichtung zum Glücklichsein besteht. Andernfalls muß man eben umerzogen werden (hatten wir auch schon, s.Gulag).
Warum klagt wohl die Wirtschaft seit vielen Jahren, daß ein Großteil der Schulabgänger nicht ausbildungsfähig ist, weil eben Defizite im Lesen (und Verstehen), Schreiben und Rechnen bestehen. Mit Sex und Kampf gegen rechts kann kein Betrieb etwas anfangen.
 
von Birte K. (24. September 2013, 18:47):
Ihren Worten stimme ich weitgehend zu, Herr Klaus R. Sie sagen ganz richtig: "Mit Sex und Kampf gegen rechts kann kein Betrieb etwas anfangen." Noch schlimmer ist, dass die jungen Menschen auch selbst kaum etwas damit anfangen können. Sie werden dumm und unfähig gehalten und sind in ihrem späteren Leben oft auf Anleitung und Weisung anderer angewiesen, weil sie sich wegen mangelnder Fähigkeiten nicht selbst helfen und orientieren können.
Ich bin sicher, dass die Beiträge von "Pädagoge/Pädagogin" Satire sind, schwarzer Humor angesichts einer zunehmenden Indoktrinierung, die der normale Bürger kaum mitkriegt. Er realisiert vielleicht noch, dass die Kinder in den Schulen immer weniger Lesen, Schreiben und Rechnen lernen, obwohl sie heute dort erheblich mehr Zeit verbringen als früher. Kaum einer fragt jedoch: Was passiert eigentlich in den vielen Schulstunden, wenn für unsere Kinder am Ende immer weniger herauskommt?
Ausufernde sexuelle Information und der Kampf gegen rechts sind meinem Wissen nach kein ausgedachter Blödsinn. Solche und andere Dinge füllen tatsächlich immer mehr Unterrichtsstunden, so dass sich viele Lehrer fragen, wo sie bei diesem Wust an ständig neuen Aufgaben noch die nötige Zeit hernehmen sollen für Lesen, Schreiben und Rechnen.
Da ist m. E. Satire wohltuend wachrüttelnd und erfrischend. Kritik und Wehklagen werden doch kaum mehr wahrgenommen, weil sie an der Tagesordnung sind. Außerdem bezweifle ich, dass nur weniger ernste Themen satirisch behandelt werden dürfen. Satire ist ein scharfes Schwert gegen Fehlentwicklungen. Warum darauf verzichten, wenn es besonders dringend gebraucht wird?
 
von Stefan (25. September 2013, 20:10):
Klar ist das Satire, was der Pädagoge und seine Kollegin da von sich geben. Sie machen ihre Sache gut und legen den Finger treffsicher in die Wunde unserer idiotischen Zeitgeist-Pädagogik. Mir ist bei allem Schmunzeln sofort klar gewesen, was die beiden da beabsichtigen und hätte gern noch mehr von ihnen gelesen.
 
von Schulmeisterin (02. Oktober 2013, 11:30):
Wie gefällt Ihnen das hier, Stefan? Bei "eigentümlich frei" habe ich es soeben gelesen.

Szenen in der deutschen Schule, damals und heute
Das folgende Szenario entspringt dem literarischen Schaffen eines Polizisten aus Westfalen.

Szenario:
Roberts Mitschüler Ahmed kann wegen mangelnder Deutschkenntnisse dem Unterricht nicht folgen und bleibt schließlich in der achten Klasse sitzen.

Anno 1973:

Ahmed nimmt in den Sommerferien Nachhilfeunterricht, spielt vermehrt mit deutschsprechenden Freunden und schafft den Schulabschluss ein Jahr später ohne Probleme.

Anno 2013:

Ahmeds Fall landet vor der Gleichstellungskommission der Schule. Die Presse findet das Verhalten der Schule unvertretbar. Deutsch sei schließlich nicht „die Mutter aller Sprachen“. Man denke mal daran, was im Namen der deutschen Sprache schon alles für Unheil angerichtet wurde. Der Fall Ahmed sei ein klares Beispiel für wachsende Ausländerfeindlichkeit und Diskriminierung. Die Schule lässt unter dem immensen Druck eine Nachprüfung mit Fragen für Drittklässler zu und Ahmed wird versetzt. Den Abschluss schafft er nicht, er bezieht Hartz IV und kann immer noch kein Deutsch.
 
von Stefan (05. Oktober 2013, 12:03):
Gefällt mir ausgezeichnet. Herzlichen Dank!
 
von immergutdrauf (07. Oktober 2013, 16:24):
Diesen Link bitte aufmerksam lesen. Hier begründet eine Schule, warum sie "Lesen durch Schreiben" schon über zwei Jahrzehnte angeblich erfolgreich praktiziert.

http://www.maxbrauerschule.de/mbs/downloads/2013-09-09_Stellungnahme-LDS_final.pdf
 
von Ursula Prasuhn (07. Oktober 2013, 21:44):
Es ist ein Trauerspiel, dass die Bedeutung der Rechtschreibung gerade in den ersten Schuljahren immer wieder heruntergespielt wird, nur um eine Methode am Leben zu erhalten, die sich trotz Dementi nachteilig auf die Orthographie und das Lesen der Schüler auswirkt.
Kindern die reine Lesetechnik beizubringen – also das Zusammenziehen der Laute (Buchstaben) – ist für Lehrer und Eltern in der Regel eine simple Sache. Sie dauert im Klassenverband maximal 1 Jahr, im Elternhaus wegen der erhöhten Zuwendung sogar nur Wochen oder wenige Monate.
Flüssiges, sinnentnehmendes Lesen braucht aber viel länger, weil es mit dem Zusammenlesen der Laute (Buchstaben) nicht getan ist. Kinder, die auf dieser Stufe verharren, können zwar die Anfangstechnik, bekommen aber wegen des immer neuen, mühseligen Entzifferns derselben Wörter kaum mehr den Inhalt von Sätzen und Texten mit. Sogar Eigengeschriebenes wird beim Vorlesen zur Herausforderung, weil die Kinder wiederkehrende Wörter in Variationen schreiben und darum die Eigenschöpfungen selbst nicht mehr erkennen.
Jedes flüssige Lesen mit Sinnentnahme ist auf die Speicherung gleich bleibender, genormter Wortbilder angewiesen, so dass häufig gebrauchte Wörter nicht mehr zusammengelesen werden müssen, sondern auf Anhieb wiedererkannt werden. Wer diese Stufe nicht oder nur teilweise erreicht, weil wechselnde Bilder ihn daran hindern, wird möglicherweise mit dem Lesen und Schreiben immer Schwierigkeiten haben.
Was die Max-Brauer-Schule über ihre ach so fachkundige Handhabung der Methode „Lesen durch Schreiben“ von sich gibt, beeindruckt mich wenig. Im Gegenteil, hochtrabendes Geschwätz mit möglichst viel Fachchinesich, damit wenige verstehen, viele aber beeindruckt sind, hat für mich so ziemlich alles, was ein modernes Potemkinsches Dorf braucht.
 
von immergutdrauf (08. Oktober 2013, 10:32):
@U.Prasuhn
Ich bin nun keine ausgewiesene Fachkraft für den Erstleseunterricht. Gleichwohl habe ich bei der Methode "Lesen durch Schreiben" ein sehr ungutes Gefühl und stimme den Kritikern und Skeptikern mehrheitlich zu.
Sie schreiben, dass Sie die Einlassung der Max-Brauer-Schule zur Methode "Lesen durch Schreiben" wenig beeindruckt und vergleichen die Erklärung sogar mit einem "modernen Potemkinschen Dorf".
Die massive Medienkritik an dieser Methode scheint die Schule nicht zu berühren. Ja, sie sind sogar so selbstbewusst, mutig oder vielleicht auch nur besonders dreist, ihr Konzept zu begründen und zu rechtfertigen.
Offensichtlich sind die Verantwortlichen dieser Schule in ihrem Tun durch nichts zu erschüttern. Also, wenn ich dort arbeiten würde und den "Deutschen Schulpreis" erhalten hätte, würde auch so manches an mir abprallen. Den Preis kann diese Einrichtung doch nur als besondere Bestätigung ihrer "hervorragenden pädagogischen Arbeit" ansehen.
Offensichtlich wird die Schule nicht nur von den SchülerInnen anerkannt, sondern auch von den Eltern. Wenn das dort alles nur eine einzige "Show" wäre, hätte sich die Schule nicht über zwei Jahrzehnte "halten können".
Frau Prasuhn, entschuldigen Sie bitte, aber ich habe jetzt einnmal den Versuch unternommen, aus der Sicht der Schule zu argumentieren.








 
von Ursula Prasuhn (08. Oktober 2013, 21:21):
Für mich sind solche Preise kein Qualitätssiegel, weil ich sie zunehmend als Mittel zur Förderung bestimmter Methoden oder zur Unterstützung eines politisch gewollten Lehrerverhaltens empfinde. Das Bildungsniveau der Schüler hinsichtlich der Kulturtechniken scheint mir – wenn überhaupt – nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Warum das so ist, weiß der Himmel, aber ich vermute, dass ideologischer und wirtschaftlicher Lobbyismus auch die Schulen erobert haben.
Hier können Sie nachlesen, wodurch 3 Schulen kürzlich den Aachener Friedenspreis gewonnen haben:
http://www.news4teachers.de/2013/06/schulleiterin-lehnt-aachener-friedenspreis-ab-bundeswehr-tritt-doch-auf/
Und hier der Kommentar eines Herrn dazu: „Es ist ja ein gutes demokratisches Recht, die Bundeswehr abzulehnen, aber ein Friedenspreis, der sich gegen eine demokratisch legitimierte Armee richtet, disqualifiziert sich selbst!“
Natürlich fühlen sich Lehrer, Schüler und Eltern geehrt und bestätigt durch solche Preise und fragen nicht, ob alles seine Richtigkeit hat, zumal Auszeichnungen ja auch Sorgen und Zweifel vertreiben. Es herrscht der Glaube, dass da eine Jury aus unabhängigen und fähigen Kennern der Materie ihr sachlich richtiges Urteil abgiebt.
Mich wundert, dass die Pharmaindustrie unsere Bildungsstätten bisher noch mit Auszeichnungen verschont hat. Vielleicht bin ich aber auch nur schlecht informiert. Ihr würde ich einen Gesundheitspreis für Schulen vorschlagen, die ein gesundes, aber altmodisches Schulfrühstück hinter sich gelassen haben und auf Nahrungsergänzungspillen setzen.
Natürlich dürfte nicht der Name „Pharmaindustrie“ hinter dem Preis stecken, sondern eine unverdächtige Gruppe mit möglichst vielen Professoren- und Doktortiteln, die unter einem sympathischen Namen agiert. Vielleicht „Gesundheit gestern - Gesundheit heute“.
 
von immergutdrauf (09. Oktober 2013, 09:36):
@U. Prasuhn
Vielen Dank für Ihre ausführlichen Erläuterungen, denen ich nur zustimmen kann. Zwei Passagen zu "Lesen durch Schreiben" und zum "Schulpreis" möchte ich noch einmal hervorheben:

"Lesen durch Schreiben"

"Es ist ein Trauerspiel, dass die Bedeutung der Rechtschreibung gerade in den ersten Schuljahren immer wieder heruntergespielt wird, nur um eine Methode am Leben zu erhalten, die sich trotz Dementi nachteilig auf die Orthographie und das Lesen der Schüler auswirkt."

"Schulpreis"

"Für mich sind solche Preise kein Qualitätssiegel, weil ich sie zunehmend als Mittel zur Förderung bestimmter Methoden oder zur Unterstützung eines politisch gewollten Lehrerverhaltens empfinde."

Wie erklären Sie sich aber die doch vorhandene Akzeptanz durch die Eltern und die SchülerInnen?

"Offensichtlich wird die Schule nicht nur von den SchülerInnen anerkannt, sondern auch von den Eltern. Wenn das dort alles nur eine einzige "Show" wäre, hätte sich die Schule nicht über zwei Jahrzehnte "halten können".



 
von Ursula Prasuhn (09. Oktober 2013, 11:20):
Sie fragen, wie ich "die doch vorhandene Akzeptanz durch die Eltern und die SchülerInnen" erkläre?
Da kann ich mich nur wiederholen: "Natürlich fühlen sich Lehrer, Schüler und Eltern geehrt und bestätigt durch solche Preise und fragen nicht, ob alles seine Richtigkeit hat, zumal Auszeichnungen ja auch Sorgen und Zweifel vertreiben. Es herrscht der Glaube, dass da eine Jury aus unabhängigen und fähigen Kennern der Materie ihr sachlich richtiges Urteil abgiebt."
Wie sollen Schüler und Eltern die Schädlichkeit einer Methode erkennen, wenn sogar die Lehrer dies über lange Zeit hinweg nicht können und der Schulpreis ihnen auf ganzer Linie Recht gibt, wenn sich vielleicht endlich Zweifel einstellen oder mehren?

 
von Ein Esel (09. Oktober 2013, 15:20):
Jeder Esel wird seinen Stall loben, wenn er sein Leben in ebendiesem Stall verbracht hat und nichts anders kennt. Was soll er denn sonst preisen als die Wände, die ihm den Blick versperren?
Dazu muss man bedenken, dass diejenigen, welche Preise verleihen, in demselben Stall wohnen, ohne je das Licht der Freiheit erblickt zu haben.
 
von immergutdrauf (09. Oktober 2013, 16:45):
U. Prasuhn
Herzlichen Dank für Ihre Zeilen.
Da auch die Bertelsmann-Stiftung maßgeblich am "Deutschen Schulpreis" beteiligt ist, möchte ich Ihnen dieses "Dossier" über die Aktivitäten der Stiftung nicht vorenthalten. Evtl. ist es Ihnen schon bekannt.
Es ist kaum noch auzuhalten, wie die Bildungspolitik in Deutschland von bestimmten Interessengruppen für ihre Ziele beeeinflusst wird.
Aktuellstes Beispiel ist die Stellungnahme der GEW zur neuesten PISA - Studie mit der immer wieder erhobenen Forderung nach einer "Schule für alle".
Leider kann der Link nicht sofort aufgerufen werden, sondern die Adresse muss erst noch einmal eingegeben werden.

http://www.lehrerverband.de/aktuell_Dossier_Bertelsmannstudien_Dez_12.html
 
von Ursula Prasuhn (09. Oktober 2013, 22:13):
Hallo, immergutdrauf!
Die Kritik von Josef Kraus an den Bertelsmann-"Studien" kannte ich schon, nicht aber die Tatsache, dass die Bertelsmann-Stiftung maßgeblich an der Verleihung des Deutschen Schulpreises beteiligt ist.
Danke für die interessante Information!

Hallo, Esel,
Mir gefällt das Bild, das Sie von sich, den Preisverleihern und Ihren gemeinsamen vier Wänden malen. Ebenfalls besten Dank!
 
von immergutdrauf (10. Oktober 2013, 10:32):
@U. Prasuhn
Ich bin jetzt noch einmal auf die Webseite des "Deutschen Lehrerpreises" gegangen. Dort erscheint die Bertelsmann - Stiftung nicht. Evtl. bin ich etwas zu vorschnell gewesen.
Initiatoren des Deutschen Lehrerpreises sind danach vor allem die "Vodafone-Stiftung" und der "Philologenverband". Inwieweit die "Bertelsmänner" vielleicht über "drei Ecken" da auch noch "mitmischen", entzieht sich meiner Kenntnis.
Zumindest sind an dieser Veranstaltung "schlaue" Köpfe aus der Pädagogik, der Wissenschaft und der Politik beteiligt. Die Preisverleihung nimmt dann die Bundeskanzlerin vor. Bei diesem "Staraufgebot" hinterfragt doch leider niemand mehr die Seriösität so einer Veranstaltung.
 
von henriette (05. Dezember 2013, 22:29):
Schade, daß ich erst jetzt den Artikel und die herrlichen Kommentare entdecke. Sicher hätte es mich gereizt, als "Oberpädagogin" aufzutreten.
 
von St. M. (25. Februar 2014, 22:57):
Warum nicht tun? Ich traue mir diese Rolle nicht zu. Würde mich aber oberfreuen, wenn Sie Ihrem Reiz mutig folgten.
 
von henriette (03. April 2014, 23:12):
Geht aber nicht, weil die Sache so verspätet nicht mehr passt.
Schaue leider zu selten beim Stolz Verlag vorbei.
 
von conny (18. September 2015, 12:51):
Herzlichen Dank für die kritischen Kommentare meiner Vorredner! Diesen kann ich mich nur anschließen! Als betroffene Mutter zweier Grundschulkinder ist mir mittlerweile nicht mehr zum Lachen zumute.
Nachdem ich beim ersten Kind hinreichend Erfahrungen sammeln durfte,habe ich mich beim zweiten entschlossen, die Vermittlung der sogenannten Kulturtechniken selbst zu übernehmen. Ich bin enttäuscht und bestürzt darüber, wie systematisch die Grundschule den Kindern elementarste Bildung vorenthält. Und gerade die Schwächsten haben keinerlei Chance, sich zu wehren.
Vor 40 Jahren war die Schule in der Lage, selbst Migrantenkindern nach 2 Schuljahren richtig lesen und schreiben, so wie ein gutes Gefühl für die Benutzung der deutschen Sprache beizubringen. Heute gelingt das ohne massive Unterstützung auf privater Basis nicht mal mehr bei den sogenannten "lernstarken" Kindern.
Im Zweifelsfall macht man aus den hoffnungslosen Fällen in der 3. Klasse Legastheniker und ist dann im weiteren Schulverlauf gänzlich von der Verantwortung entbunden, diesem Kind altersangemessene sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten beizubringen. Wo soll das hinführen?
Mich würde interessieren, ob sich hier noch mehr engagierte und kritische Lehrer finden, die mutig genug sind, gegen den Strom zu schwimmen und an ihren bewährten Vermittlungsmethoden festhalten? Wie sieht das in der Praxis aus?
Wie kann ich ganz konkret verhindern,dass meine Kinder zwischen die ideologischen Schützengräben geraten, wenn ich mich gegen die "freie" Methode stelle und privat versuche, ihnen in strukturierter Form das Lesen und Schreiben beizubringen.
Ist es nicht absurd, dass man sich mit dieser Frage überhaupt beschäftigen muss?

 
von Doro (09. Oktober 2015, 20:40):
Hallo, conny! Allem, was Sie schreiben, kann ich nur voll zustimmen. Sie beweisen mir wieder einmal, wie goldrichtig Eltern oft mit ihrem Einfühlungsvermögen und gesunden Menschenverstand liegen.
Und ja, es ist absurd, mit welchen Fragen sich Eltern und Lehrer häufig beschäftigen müssen. Die Pädagogik zeigt m. E. zunehmend Symptome der Pervertierung.
 



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