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Newsletter Nr. 27 – Dezember 2008

 
20. Dezember 2008
Newsletter Nr. 27 – Dezember 2008
Kategorie: Newslettertexte
Lärm in der »stillen« Zeit 

Müssen Kinder Lärm machen?
Die Route meiner vormittäglichen Laufrunde führte mich am örtlichen Kindergarten vorüber. Trotz geschlossener Fenster drang das Lärmen der Kinderstimmen bis auf die Straße heraus, zwar gut gedämpft, dennoch deutlich zu hören. Müssen Kinder Lärm erzeugen — mehr als Erwachsene?
Unter gewissen Bedingungen wird das Lärmen zu einer Art »Notwehr« gegen Nichtgehörtwerden, Nichtgesehenwerden, Nichtbemerktwerden. Sich selbst bemerkbar zu machen ist eine existenzielle Notwendigkeit. Welche Strategien stehen einem Lebewesen zur Verfügung, um als Teil einer Masse speziell auf sich aufmerksam zu machen? Wie wird sich ein Kind behaupten inmitten einer Schar Gleichaltriger, wenn ringsum alles wuselt, wieselt und schnattert? Homogene Großgruppen sind eine Quelle des Lärms.

Dem Lärm kann sich keiner entziehen
Lärmen und Nachdenklichkeit passen nicht zusammen. Wer lärmt, kehrt seine Sinne ganz der Außenwelt zu. Ein Gleichgewicht zwischen innerem Fühlen und äußerer Welt wird nicht aufkommen, wo ein Bereich ständig das Übergewicht hat. Das Lautsein — auch im übertragenen Sinne — kann zum dominierenden Wesenszug eines Menschen werden. Die »lärmende Seele« ist ein Ergebnis des Heranwachsens in ständiger Unruhe, wobei die Zyklen der Stille zu kurz ausfallen. Im Umgang mit anderen Menschen verhindert Lärm die Entwicklung von Empathie. Ohne Einfühlsamkeit wird das soziale Zusammenleben unerträglich. Lärm im Übermaß läßt die Sinne verkümmern. Wer ichbezogen lärmt, ist rücksichtslos. Lärm ist überwältigend, keiner kann sich ihm entziehen. Wer nichts mehr sehen will, schließt die Augen. Für die Ohren hat die Natur dergleichen nichts vorgesehen. Wir hören. Immer.

Wer lärmt, kann sich nicht sammeln
Lärm, den ein Einzelner oder eine Personengruppe erzeugt, hat durchaus seine Berechtigung — sofern zeitlich kurz befristet. Lärmen kann das Überleben sichern. Ein Hilfeschrei muß laut sein, sonst wird er nicht gehört. Im positiven Sinne kann Lärm wirksam werden als Überdruckventil für überwältigende Gefühle wie Freude oder Begeisterung. Fortgesetztes und aufputschendes Schreien und Kreischen sind jedoch kaum als Ausdruck von Freude zu werten. Ein lärmendes Kind ist nicht in der Lage, irgend etwas aufzunehmen. Es kann weder lauschen, noch betrachten. Es fehlt ihm jede Geduld. Die ganze Flüchtigkeit des Seins strömt auf ein schreiendes Wesen ein.

Wir wissen um den Wert von Stille
Lärmende Kindergruppen verursachen Psychostress, nicht nur bei den Kindern, auch bei den betreuenden Erwachsenen. Die negativen Quelle sprudelt, sie ist gespeist durch die maskierte Angst, übersehen zu werden. Wie schädlich Lärm und Stress auf die Psyche wirken, wissen Pädagogen und Psychologen schon sehr lange, eine umfangreiche Fachliteratur und Praxishilfen zum Thema »Stille« ist dafür Beweis.

Ordnung durch geschickte Organisation
Was tun? Alle Bemühungen müssen dahin gehen, Kindern den Aufenthalt in möglichst kleinen, auch altersgemischten Gruppen zu ermöglichen. Nur in einer vertikalen Ordnung können Ruhe, Bescheidenheit, Nachdenklichkeit und Bedächtigkeit zur Entfaltung kommen. Wer wollte bestreiten, daß diese typisch menschlichen Eigenschaften die Basis bilden für den Fortbestand unserer Kultur? Zum Wohle unserer Kinder müssen die Voraussetzungen für Stille und Besinnlichkeit sowohl im privaten als auch im gesellschaftspolitischen Bereich nach Kräften gemeinsam hergestellt werden!

Karin Pfeiffer

 

 

Die »lärmende Seele« ist Ergebnis des Heranwachsens in ständiger Unruhe.


 


Foto: pixelio

Auch die Kinder selbst
leiden unter
ihrem eigenen Lärm.


 

 
Foto: pixelio

Lärm hat zuweilen etwas Panikartikes.


 

 
Foto: pixelio

 Nachdenklichkeit
stellt sich ein,
sobald man abseits steht.


     
 
 



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