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Die drei Söhne

 
13. November 2008
Die drei Söhne
Kategorie: Besinnliches

Die drei Söhne
Drei Frauen kommen an einen Brunnen, um Wasser zu schöpfen. Sie sprechen von ihren Söhnen. »Meinen Sohn solltet ihr singen hören«, sagt die erste, »das tönt so schön, als wenn eine Nachtigall singen würde.«
Die zweite sagt: »Mein Sohn ist stark und schnell. Er schleudert einen Stein fast bis zu den Wolken und fängt ihn wieder auf.«
Die dritte schweigt.
Da fragten die anderen: »Und dein Sohn?«
»Was soll ich erzählen«, sagt sie, »mein Sohn ist ein junger Bursche wie andere auch.«
Nun machen sich die drei Frauen auf den Heimweg. Die Sonne brennt, der Wassereimer wird schwer. Da kommen den Frauen drei junge Burschen entgegen. Der erste singt so schön wie eine Nachtigall, der zweite schleudert Steine in die Luft und fängt sie wieder. Der dritte aber läuft zu seiner Mutter und nimmt ihr den Eimer ab.
Ein alter Mann neben dem Brunnen hat alles mit angesehen. Eine der drei Frauen fragt ihn: »Nun, was sagst du zu unseren drei Söhnen?«
»Drei Söhne?« fragt der Alte. »Ich sehe nur einen.«

Leo N. Tolstoi

 


Kommentare zu diesem Beitrag:
von U.Schildt-Picht (16. Januar 2009, 23:25):
Der Text regt sehr zum Nachdenken an.Ich werde ihn auf der nächsten Elternversammlung vorlesen. Unsere Kinder müssen nicht alle Talente vorführen. Das Erwachsene sich vordergründig über ihre Kinder definieren, ist sehr in Mode gekommen. Wichtig ist vor allem sie auch
zur "Menschlichkeit" zu erziehen. Das wird oft vergessen! Ihr Tagebuch liest sich sehr interessant, erwärmt mir in der Zeit der Hektik, des Stresses und der überflüssigen Dinge im Schulalltag das Herz. Viele Texte von hier ermutigen mich auch, die Erfahrungen meiner Dienstzeit nicht vollkommen "wegzuwerfen".
 



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