»Diktate sind nicht dienlich, um Rechtschreibung zu erwerben.« »Diktate setzen Schüler unnötig unter Streß« »Diktate dienen der Selektion.« Diese Weisheiten sind vor Jahren von hochbezahlten Wissenschaftlern in jahrelanger Forschungsarbeit erarbeitet und der anfangs überraschten Lehrerschaft präsentiert worden. Aber nicht nur das. Dem Kind müsse außerdem Gelegenheit gegeben werden, die Schrift selbst zu entdecken und auszuprobieren, wie diese wohl funktioniere. Je weniger ein Schüler beim Schreibenlernen gegängelt werde, desto besser beherrsche er später die Schriftsprache. Weil elfenbeintürmelnde Wissenschaft im Vergleich zum profanen Erfahrungswissen besser abschneidet, haben sich die Praktiker beschämt gezeigt und sich alsbald bereiterklärt, das »Freie Schreiben« ohne Diktatstress im Unterricht zu praktizieren. In der Schule sind seither herrliche Zeiten angebrochen! Und es klappt doch wie am Schnürchen, oder was! Ist es daher nicht an der Zeit, die wertvollen Erkenntnisse auch auf andere Gesellschaftsbereiche zu übertragen? Wie lange müssen wir eigentlich noch warten, bis Fachpsychologen für Verkehrspädagogik anhand langjähriger Studien nachweisen können, dass die herkömmliche Fahrprüfung nicht dienlich sei für die Ausbildung der Fähigkeit, ein Fahrzeug zu lenken? Dass eine solche Prüfung allenfalls die Stressresistenz der »ProbandInnen« teste? Und überhaupt: ein Fahrschüler müsse Gelegenheit bekommen, das Autofahren und den Verkehr selbständig zu entdecken! Je weniger der Fahrlehrer eingreift, desto schneller gehe es voran! Fort mit der Gängelung durch den Fahrlehrer! Schluss mit der Fahrprüfung, denn diese diene nur der Selektion, also dem Zweck, die Untauglichen gleichsam an der Rampe von den Fahrtüchtigen abzusondern. Ein Skandal! Die menschenverachtende Praxis müsse sofort eingestellt werden. Fahrtüchtigkeitsnachweisprüfungen seien veraltet und daher abzulehnen. Als Prüfungsalternative empfehle man, den Führerscheinanwärter auf einem großen Platz im Fahrzeug seiner eigenen Wahl drei Runden drehen zu lassen, wovon die beste und schönste Runde gewertet werde. Auch das Abmalen von Verkehrsschildern sei eine zeitgemäße Methode, um die allgemeine Verkehrstauglichkeit des künftigen Autofahrers festzustellen. Die weitere Befragung des Prüflings habe sich auf ein lockeres Gespräch über Autotypen zu beschränken; schließlich sei die Frage des Autokaufs für einen angehenden Autofahrer von allergrößter Bedeutung, viel wichtiger als technische Details oder die nutzlose Kenntnis von Verkehrsregeln. Verena Katerle |