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Es gibt kein Gutes, außer man tut es

 
23. September 2011
Es gibt kein Gutes, außer man tut es
Kategorien: Schule | Erziehung
  
Darüber reden ist nicht dasselbe wie ... 
... es zu tun.

Reden, reden, reden 
In der modernen Schule wird viel Zeit darauf verwendet, über richtige Einstellungen und erwünschtes Verhalten zu sprechen. So wurde zum Beispiel das Fach Ethik in den Stundenplan eingegliedert. Wozu dies? Glauben wir, das wohlmeinende Appellieren an den Verstand der Schüler brächte irgendwelche tatsächlichen Verhaltensänderungen mit sich? Wir tun so, als könnten wir durch das Sprechen und nachdenkliche Diskutieren über bestimmte Tugenden dieselben gleichzeitig in unser Verhaltensrepertoire aufnehmen.

Was für den Sport gilt …
Im Sport wird sogleich jedem einleuchten, daß ohne Körperübungen keine Steigerung der Leistung möglich ist. Glauben wir etwa, für die sozialen und geistigen Tugenden besitze das Übenmüssen keine Geltung? Wäre dies so, dann gäbe es keine Alkoholiker, Raucher, Spieler, Eßgestörte und so fort. Sie wären längst von ihrer Sucht geheilt, weil ihnen die Schädlichkeit ihres Tuns begreiflich gemacht wurde. Mehrheitlich wissen sie genau, was sie ihrem Körper antun – und tun es trotzdem! Nein, am mangelnden Willen liegt es nicht. Woran dann?

… gilt auch für den Geist
So wenig die bloße Einsicht in die schädlichen Folgen des Rauchens dabei hilft, das Rauchen einzustellen, so wenig nützlich sind Appelle an Fairness, Friedfertigkeit, Liebenswürdigkeit, Teilenkönnen und so weiter. Das ständige Sprechen darüber kann sogar zum Gegenteil führen, denn es ist für die Schüler alles andere als angenehm, sich die endlosen Predigten des Gutseinsollens anzuhören. Weshalb tun wir den Kindern das an? Etwa aus Ratlosigkeit? Was wir brauchen, ist ein Verhaltenstraining. Dazu benötigen Kinder in der Schule praktische Aufgaben und gute Vorbilder. Tugenden erwachsen aus dem Handeln, und nur daraus. Dies geschieht ganz unwillkürlich und fast nebenbei.

Tugenden lernen im Deutschunterricht?
So wird zum Beispiel im normalen Deutschunterricht jedes sittliche Verhalten geübt, welches das Fach Ethik zum eigenständigen Thema kürt: Achtung vor dem Anderen, Zuhörenkönnen, Aufmerksamkeit, Sorgfalt, Höflichkeit, Hilfsbereitschaft, Beharrlichkeit, Ehrlichkeit, Toleranz ...  Was nützen uns denn die Lippenbekenntnisse zum Guten, die wir im Gespräch um Tugenden von den Schülern hören wollen und auch zu hören bekommen? Erziehen wir sie da nicht zu Heuchelei und Unwahrhaftigkeit? Früh lernen sie, ihre echten Gefühle und Meinungen zu unterdrücken und nur das zu sagen, was »korrekt« ist im Sinne der positiv konstruierten Weltsicht, die ihnen im Unterricht vermittelt wird. Das wahre Leben findet draußen statt, vor den Schultoren. Und dort ist jedes Lippenbekenntnis nicht beständiger als ein kühlender Lufthauch. Mit dem Ansinnen, sie hauptsächlich durch Nachdenken, Diskutieren und Philosophieren zu tugendhaften Menschen heranziehen zu wollen, stellen wir unsere Kinder und Jugendlichen vor eine unlösbare Aufgabe. Wie fühlt sich ein Mensch, der vor einer Aufgabe steht, die er nicht lösen kann? Eine Antwort auf diese Frage möge sich der geneigte Leser selbst geben.

»Das Wissen um das Gute allein reicht nicht aus«
Lassen wir zum Schluß einen Pädagogen zu Wort kommen, der sich lebenslang mit solchen Fragen beschäftigt hat:
»Auch für die sittliche Tüchtigkeit kommt es also in erster Linie darauf an, daß durch häufig wiederholtes gleichartiges Handeln in der richtigen Richtung eine gute Gewohnheit entsteht, eine dauerhafte psychische Disposition. Sie ist ein Ergebnis der Gewöhnung, und diese Gewöhnung muß im Kindesalter beginnen. Sie setzt gute Sitte im gesellschaftlichen Lebensraum und erzieherische Anleitung voraus. Bevor die Belehrung durch Worte wirken kann, muß die Seele des Hörers zuerst durch Gewöhnung dazu bereitgemacht werden, das Gute zu lieben und das Böse zu verabscheuen. Die Triebregungen und Gefühle bilden die seelische Kraftquelle für jede Tugend, aber sie müssen durch Übung (Askese) im tugendhaften Handeln kultiviert werden. Das Wissen um das Gute allein reicht nicht aus. Es soll aber in dem Maß, in dem die Erkenntnisfähikeit zunimmt, zur Übung hinzutreten. In vollem Sinn tugendhaft ist nur der, der auch die Gründe für das tugendhafte Handeln einsieht.«

Wolfgang Brezinka, Tüchtigkeit. Analyse und Bewertung eines Erziehungszieles. Verlag Ernst Reinhardt, Seite 32

Karin Pfeiffer


Kommentare zu diesem Beitrag:
von Ursula Prasuhn (24. September 2011, 15:12):
Was Sie schreiben, Frau Pfeiffer, kann ich aus meiner jahrzehntelangen Schulerfahrung nur dick unterstreichen.
Jede verbale Beleuchtung von Moral und Ethik ist für die Katz, wenn Verhaltensweisen nicht zuvor durch konsequentes Training eingeübt werden und zu einem automatischen Empfinden für richtig und falsch führen. Was nützen z.B. Aufrufe zur Ehrlichkeit, wenn Kinder ständig die Erfahrung machen, dass sie in der Praxis mit Schwindeleien besser durchkommen?
Uns Erwachsenen – ob Eltern oder Lehrer – fällt es immer schwerer, Kinder zur Verantwortung zu ziehen, wenn sie sich danebenbenehmen. Allein das Wort „Strafe“ ist so verpönt, dass vage Formulierungen wie „Grenzen setzen“ oder „Verantwortung spüren lassen“ es heute ersetzen. Wer aber schon verbal einem Wort ausweicht, der geht seiner Praxisanwendung erst recht aus dem Weg.
Sowohl zu Hause als auch in der Schule erleben Kinder fast ständig, dass Regelverstöße keine Folgen haben. Die meisten Erwachsenen reagieren fast zwanghaft mit der Frage „Warum hast Du das gemacht?“ und die Kinder merken genau, wie der Hase läuft. Eltern und Lehrer wollen nicht durchgreifen müssen und hoffen auf eine entschuldigende Erklärung, die ihr Nichtstun rechtfertigt. Also geben sich Ausrede (Lüge) einerseits und Inkonsequenz andererseits die Hand, wobei das Kind lernt, dass Regeln weniger wichtig sind als geschickte Ausflüchte.
 

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