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Rückkehr zur einer volksnahen Bildung

 
10. November 2007
Rückkehr zur einer volksnahen Bildung
Kategorien: Schule | Politik

Nimmt die Bastelei an unserem Bildungssystem erst dann ein Ende, wenn es völlig ruiniert ist? Wohlmeinend wird in Rheinland-Pfalz neu gebastelt: Alle Hauptschulen werden zu »Realschulen Plus« befördert. Entweder Realschule mit Schrumpf-Hauptschulzweig oder mit Ex-Hauptschülern und Realschülern vereint  – den drastisch erweiterten Lehrerkollegien wird die Entscheidung anheimgestellt.
Parteigänger aller Lager und Lehrerverbände wie GEW und VBE spalten und instrumentalisieren Lehrer, Schüler und Gesellschaft mit ihrer Reformsucht. Die speist sich unter anderem aus der Geringschätzung der Vielfalt nicht-akademischer Begabungen und Ausbildungen im Zeitalter der Globalisierung. Die meisten Lehrer kommen unterdessen vor lauter »Reformen« gar nicht mehr zur Besinnung, zu fundierter fachlicher oder gar pädagogischer Arbeit.
»Kluges« Reden, pädagogische Papiere, ja die ganze Schule, die meisten Schüler haben das alles mehr als satt. In Schulwerkstatt, Betriebspraktikum und dualem Ausbildungssystem würden sie dagegen aufleben und Anerkennung erfahren. Wollen wir den internationalen Ruf deutscher Volks- und Breitenbildung und der aus ihr resultierenden Wertarbeit nicht verspielen, müssen wir die Reformsucht überwinden und die in ihr liegende soziale Gefahr erkennen – und war solange der Nachwuchs für mittelständische Betriebe noch nicht wegen Geburtenschwäche und Abiturfixierung knapp ist.

Prof. Dr. Wolfgang Hinrichs

Prof. Dr. Wolfgang Hinrichs war Volksschullehrer und -konrektor und lehrte Pädagogik an der Universität Siegen 

 



Kommentare zu diesem Beitrag:
von zorniger Lehrer, der anonym bleiben möchte (10. November 2007, 10:11):
Genau das! Danke für diesen Beitrag! Ich frage mich schon lange, woher die zunehmende Lustlosigkeit kommt, die unsere Arbeit an der Schule lähmt. Wir sind nur noch dabei, Strichlisten und Formulare auszufüllen, müssen uns durch endlose Diskussionen bei Konferenzen quälen und bekommen alle Nase lang einen Papierstapel in die Hand, mit neuen Anweisungen zur Gestaltung des Unterrichts. Soll das der Beruf des Lehrers sein? Ich habe allmählich satt, den Hampelmann für alle möglichen Leute zu spielen, die besser wissen wollen als ich, wie ich zu unterrichten habe! Lehrer bin ich aus anderen Gründen geworden – eigentlich wollte ich guten UNTERRICHT MACHEN und den Schülern etwas beibringen. Dass auch diese bei dem Zirkus die Lust verloren haben, nimmt nicht Wunder. Und dass bei all dem Durcheinander die Eltern auf die Barrikaden gehen, auch nicht. Die Kommunikation zwischen uns allen ist gestört, und bald geht nichts mehr. Viele meiner Kollegen haben sich innerlich von der Schule verabschiedet und „reißen nur noch Kalenderblätter ab“. Wir sind diese ständigen Einmischungen in den Unterricht satt! So kann man diesen Beruf nicht ausüben! Seit wann will so ein Schreibtischmensch vom Amt besser wissen, wie ich meinen Unterricht um Viertel nach zehn in der 6 A bestreiten soll? Sie sollen sich doch bitte endlich alle heraushalten!
 
von Karin Pfeiffer (11. November 2007, 07:36):
Wer nach Antworten sucht, weshalb das Unterrichten an Schulen zum obrigkeitsüberwachten Erbsenzählen verkommt und die pädagogische Freiheit zu Grabe getragen wird, beschäftige sich mit liberalem Gedankengut und gesellschaftspolitischen Schriften, die man in großer Zahl findet, wenn man gezielt danach sucht. Eine davon ist: »Wer hat das Sagen in deutschen Klassenzimmern«. Wobei derselbe Mechanismus natürlich nicht nur in Deutschland, sondern zeitströmungsbedingt in den meisten Industrieländern zu beobachten ist, also auch in Österreich oder in der Schweiz – für letztere allerdings nur eingeschränkt.

Lieber Anonymus, mir steht es nicht an, Ratschläge zu erteilen. Aber ich darf wohl bemerken, welchen Weg ich an Ihrer Stelle einschlagen würde: den, welchen mir die Selbstachtung weist. Ich würde mich von meinem Gespür leiten lassen. Als Lehrer weiß man einfach aus Erfahrung, was pädagogisch sinnvoll und machbar ist, und was nicht. Folgen Sie dieser Weisheit! Bleiben Sie sich selbst treu! Und haben Sie die Kraft, den Druck von außen zu ertragen, den Sie zu spüren bekommen werden, auch von unerwarteter Seite (was weh tut, auch Angst machen kann). Als Ausgleich für den erlittenen Kummer erhalten Sie Zuspruch von den Schülern, und mit der Zeit auch von deren Eltern. Ist das nicht das Wichtigste? Ich spreche aus eigener Erfahrung. Und: Reden wir nicht alle immer von »Zivilcourage«?

Die Erneuerung muß von unten kommen, von Ihnen also, und von Gleichgesinnten. Von oben sind nur Druck und Destruktion zu erwarten. Eine Behörde kann nicht wissen, was in Unterricht und Erziehung wichtig ist. Das ist eine Art bürokratische Planwirtschaft, von der wir die Hände lassen sollten, weil sie nicht funktioniert und alle guten Ansätze im Keim erstickt. Wir dürfen das nicht zulassen. Albert Einstein hat gesagt: Die Welt ist nicht bedroht von Menschen, die böse sind, sondern von denen, die Böses zulassen.

Natürlich sind Sie durch Ihren Berufsstatus weisungsgebunden. Sie sollten aber nicht jeden Unsinn unwidersprochen hinnehmen. Die eigene Meinung, auch – und gerade! – wenn sie der herrschenden (falschen) Meinung widerspricht, kann und soll jeder kundtun, dem noch ein Funken Selbstachtung verblieben ist. Als letzte Ausflucht könnte beherzigt werden, was die Menschen der ehemaligen DDR noch gelernt hatten (und bis heute beherrschen müßten): Wenn der von oben verordnete ideologische Blödsinn auch nicht zu verhindern ist – sich dumm anzustellen kann nicht verboten werden.
Im übrigen spüren gerade Schüler die Kraft einer Lehrerpersönlichkeit, welche sich eben darin äußert, daß er nicht bereit ist, sich selbst lächerlich zu machen – weder durch seine Schüler, noch durch die Behörde. Sie werden einer solchen Persönlichkeit williger folgen – ist das vielleicht nichts?

Alles gute wünscht Ihnen
Karin Pfeiffer
 

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